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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.05.2006
Aktenzeichen: 1 Bf 25/06
Rechtsgebiete: AufenthG, EMRK
Vorschriften:
AufenthG § 56 | |
AufenthG § 11 | |
EMRK Art. 8 |
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und E.-O. Schulz sowie die Richterin Huusmann am 5. Mai 2006 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger, ein 1974 geborener iranischer Staatsangehöriger wendet sich gegen seine Ausweisung, die die Beklagte verfügt hat, nachdem er wegen zweifacher Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides die Voraussetzungen für eine zwingende Ausweisung nach § 53 Nr. 1 erste Alternative AufenthG erfüllt gewesen seien. Zwar genieße er den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG lägen allerdings in den Fällen des § 53 AufenthG in der Regel schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit, die für eine Ausweisung sprächen, vor. Ein Anlass für die Annahme, eines Ausnahmefalles bestünde nicht.
II.
Der Zulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben.
Entgegen der Annahme des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils deshalb, weil das Verwaltungsgericht als maßgeblichen Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides und nicht den der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zu Grunde gelegt hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2004 (1 C 30.02, NVwZ 2005, S. 220). Soweit das Bundesverwaltungsgericht unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abstellt, betrifft dies die Überprüfung von Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger, nicht aber, wie im Falle des Klägers, sonstige Ausländer. Insofern kann auch dahinstehen, dass, wie der Kläger ausführt, von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs seit langem für Angehörige der Europäischen Union und für türkische Staatsangehörige, die dem ARB 1/80 unterlägen, anerkannt sei, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in Ausweisungsfällen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung sei.
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der vom Oberverwaltungsgericht Bremen im Urteil vom 25. Mai 2004 - 1 A 303/03 - (InfAuslR 2004, S. 329) und vom Verwaltungsgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 27. Januar 2004 - 10 S 1610/03 - (InfAuslR 2004, S. 189) geäußerten Ansichten, dass im Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ausweisungsverfügung, sondern auf den Zeitpunkt maßgeblich abzustellen sei, an dem diese Verfügung vom Gericht bestätigt werde. Denn nach der Systematik des deutschen Aufenthaltsgesetzes, das in § 11 die Systematik des § 8 Abs. 2 AuslG im Wesentlichen übernommen hat, ergibt sich, dass Änderungen der Sach- und Rechtslage die nach der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über eine Ausweisung erfolgen, im Rahmen der - schon vor der Ausreise möglichen - Entscheidung über die Befristung der Wirkung der Ausweisung erfolgen sollen, nicht aber im Verfahren über die Ausweisung selbst. Im Rahmen dieser Befristungsentscheidung ist es möglich, Art. 8 EMRK die nötige Geltung zu verschaffen. Soweit Art. 8 EMRK dies gebietet, hat der ausgewiesene Ausländer einen Anspruch gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auf eine solche Befristung der Ausweisung, die die Wirkung der Ausweisung auf ein mit Art. 8 EMRK vereinbares Maß beschränkt. Art. 8 EMRK gebietet mithin nicht bei allen Ausweisungsverfügungen, die in seinen Anwendungsbereich fallen, als für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt auf den der rechtskräftigen Entscheidung abzustellen (vgl. im Ergebnis ebenso OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.4.2005, NVwZ 2005, S. 968).
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob, wie der Kläger meint, der Umstand seiner nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens erfolgten (Wieder-) Heirat sowie die Aufnahme einer Therapie dazu führen, dass seine Ausweisung eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würde. Wie der Senat bereits im Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 1 So 139/05 - ausgeführt hat, vermag die Eheschließung mit seiner früheren Ehefrau die Rückfallwahrscheinlichkeit des wegen mehrfacher Vergewaltigung verurteilten Klägers schwerlich zu mindern. Denn auch die erneute Annäherung zwischen ihm und seiner früheren Ehefrau im Jahre 2002 hat ihn nicht daran gehindert im April und Oktober 2003 zwei Frauen jeweils mehrfach zu vergewaltigen. Aus dem sexualwissenschaftlichen Gutachten des Dipl.- Psychologen vom 29. August 2005 lässt sich schwerlich entnehmen, dass das Rückfallrisiko des Klägers als nur noch geringfügig einzustufen ist. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass von einem mittleren Rückfallrisiko bei dem Kläger ausgegangen werden müsse, da eine Behandlung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung des Klägers bislang nicht stattgefunden habe. Nur unter einer Reihe von Bedingungen kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass die in den Taten zu Tage getretene Gefährlichkeit des Klägers nicht mehr fortbestehen werde. Zu diesen Bedingungen zählt, dass die Partnerbeziehung des Klägers zu seiner Ehefrau unterstützend und stabil ist, dass er eine Langzeittherapie aufnimmt und schließlich dass eine therapeutische Beziehung in dieser Langzeittherapie gelingt. Ob das Letztere der Fall ist, hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht dargelegt. Ebenso wenig ändert der Umstand, dass seine Ehefrau für ihn finanziell aufkommt, etwas daran, dass der Kläger über keinen berufsqualifizierenden Abschluss verfügt und wirtschaftlich bislang nicht Fuß fassen konnte, was auf die Therapie seiner narzisstischen Persönlichkeitsstörung nicht ohne Einfluss bleiben dürfte. Dass seine Ehefrau auf seine ununterbrochene Anwesenheit in der Bundesrepublik Deutschland angewiesen ist, hat er nicht dargetan. Es erscheint daher nicht von vornherein als unzumutbar, wenn der Kläger sich für eine gewisse Dauer, deren Länge im Befristungsverfahren zu bemessen ist, von seiner Ehefrau trennen muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert bemisst sich nach § 52 Abs. 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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